Warnung vor Schließung der Grenzen

von Jürgen Hestler

Innenminister Gall plädiert auf dem Roten Stuhl für die Einrichtung von Hot Spots und die Bekämpfung von Fluchtursachen

Foto: Michael Kurz

WEISSACH IM TAL. „Herzlich willkommen in Dunkeldeutschland“ wirft der Beamer plakativ an die Wand. Ein kurzer Film hatte die Menschenkette vom Bildungszentrum zur Welzheimer Straße als Reaktion auf den Anschlag gegen das geplante Asylbewerberheim im vergangenen Jahr gezeigt, die Geschichte zweier syrischer Flüchtlinge dargelegt und Stimmen von Ehrenamtlichen eingefangen. Auf der Bühne sind Schilder mit Aussagen von Bürgern aufgebaut. Keiner der im Vorfeld Befragten wollte seine Worte vor der Kamera wiederholen. Nicht allzu verwunderlich, lassen sich die Aussagen laut Moderator Jürgen Hestler, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins und Kreisvorsitzender, doch meist auf solche Teilsätze wie „Ich bin ja nicht rechts, aber...“ herunterbrechen. Mit dieser Einstimmung beginnt der 40. Rote Stuhl der SPD Weissacher Tal zum Thema: „Flüchtlingskrise. Terrorabwehr. Schaffen wir das?“

Etwa 180 Interessierte haben sich in der Unterweissacher Gemeindehalle versammelt. Nur 100 Stühle waren ursprünglich aufgestellt – das Interesse ist groß. Zu Beginn kann Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD), der an diesem Abend auf dem Roten Stuhl sitzt, ein kurzes Statement abgeben, dann dürfen die Gäste Fragen und Anmerkungen in den Raum werfen.

Galls Einstieg gibt Einblick in seine Arbeit: Zu Beginn des letzten Jahres musste er sich für Abschiebungen noch rechtfertigen und den Abbau von Asylbewerberheimen veranlassen – heute weiß man nicht, wo man noch weitere Betten herzaubern könnte. Ein kleiner Rückblick auf die baden-württembergische Geschichte birgt dann das Fazit, dass Vielfalt definitiv ihre Stärken habe – allerdings in einem gewissen Rahmen.

Die Fragen, die ihm daraufhin aus dem Publikum entgegenschallen, drehen sich vor allem um eines: Welche Lösungsvorschläge bezüglich des Flüchtlingsstromes bringt der Innenminister mit?

Gall rät zunächst einmal eindringlich von einer Grenzschließung ab. Dies würde nicht nur dem Europagedanken, sondern auch den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands schaden. Trotzdem müsse sich der Menschenstrom verringern, damit auch schlichtweg die Grundversorgung der Aufgenommenen gewährleistet werden kann. Ein wichtiger Schritt im bürokratischen Gefüge sei darum zunächst die Einrichtung sogenannter Hot Spots zur besseren Organisation.

Des Weiteren erwähnt Gall, dass man auch die Ursachen von Flucht bekämpfen müsse. Dabei könne man seines Erachtens vor allem bei Armutsflucht ansetzen, bei der Flucht vor Kriegen weniger. Bezüglich der Sorgen der Bürger betont er, dass man sich vor allem wegen eventueller Sicherheitsbedenken nicht groß sorgen müsse. Die Polizei stocke kräftig an Personal auf, und aufgrund des Rechtsterrors des NSU sei die Terrorabwehr in Deutschland inzwischen auch gut ausgebaut. Im Fazit plädiert er schließlich konkret für eine Begrenzung der Aufnahme von Asylsuchenden, die Bekämpfung der Ursachen für Flucht und für schnellere Abschiebungen.

Das eigentliche Schlusswort nimmt der frühere Backnanger SPD-Bundestagsabgeordnete Robert Antretter, der als Gast anwesend ist, Gall in gewisser Weise vorweg. Er warnt vor nicht durchdachten Lösungen: Diejenigen, die am wenigsten wissen, wüssten nämlich oft am schnellsten, wie man vorgehen solle.

Dass eine einfache Lösung wohl schlichtweg nicht existent ist, zeigt dieser anregend aufgezogene Mittwochabend deutlich. Was während der Diskussion um die großen Fragen aber etwas auf der Strecke blieb, waren die kleinen, praxisnahen Anliegen, die einige Bürger einbrachten – aber vielleicht nehmen die politischen Vertreter die eine oder andere Anregung mit, damit die Hilfswilligen ihre Arbeit leichter schaffen können

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