Presseecho: Die SPD versucht’s mit „Wild sein“
von Jürgen Hestler
MURRHARDT/BACKNANG/GMÜND. Der SPD-Bundestagskandidat für den Wahlkreis Backnang-Schwäbisch Gmünd heißt Tim-Luka Schwab. Immerhin 40 der 42 stimmberechtigten Genossen haben am Donnerstagabend ihr Kreuzchen hinter dem Namen des 20-Jährigen gemacht (wir berichteten). Damit setzt die SPD voll auf die Karte Jugend. Sonja Elser, Kreisvorsitzende aus dem Ostalbkreis, freute sich riesig, dass der „junge und sympathische“ Mann so überzeugend gewählt wurde und übergab ihm ein Powerpaket für den langen Wahlkampf, inklusiv eines Tees der Marke „Wild sein“. Elser betonte, „wir werden den jüngsten Kandidaten im ganzen Land haben“ und schoss gleich einen Pfeil in Richtung CDU, die mit der 59-jährigen Ingeborg Gräßle eine Politikerin „aus dem Ruhestand zurückgeholt“ habe. Auch Versammlungsleiter Jürgen Hestler betonte, Schwab habe einen langen Weg vor sich. Mit Blick auf die Sportlichkeit des jungen Mannes versprühte Hestler jedoch Zuversicht: „Für jemanden, der beim Backnanger Silvesterlauf eine solch tolle Zeit läuft, dürfte das kein Problem sein.“ Er spielte damit auf die Tatsache an, dass Schwab an Silvester extra mit dem ÖPNV von Schwäbisch Gmünd nach Backnang gefahren ist, um dort am virtuellen Traditionslauf teilzunehmen. Und zwar in exzellenten 38 Minuten. Ein Umstand, der auch Gernot Gruber beeindruckte. Der SPD-Landtagsabgeordnete würdigte den Auftritt des „noch jungen, aber engagierten Kandidaten“. Schwab habe sich in Murrhardt „als selbstbewusster Nachwuchspolitiker präsentiert mit freundlichem und offenen Auftreten“.
Als Lange erstmals nach Bonn ging, war Schwab noch nicht geboren.
Jürgen Hestler sprach von einem Generationswechsel. Das irritiert einerseits, da der aktuelle Abgeordnete Christian Lange erst 56 Jahre jung ist und damit im Berliner Parlament noch lange nicht zu den ältesten Abgeordneten gehört. Auf der anderen Seite war Schwab noch gar nicht geboren, als Lange 1998 erstmals in den Bundestag einzog, damals residierte dieser noch in Bonn.
Doch trotz der zarten 20 Lenze kann Schwab schon einiges an politischem Engagement vorweisen. So ist er bei der jüngsten Kommunalwahl im Mai 2019 mit dem drittstärksten Ergebnis der SPD in den Gmünder Gemeinderat gewählt worden. Ferner ist der Student der Politikwissenschaft Vorsitzender des Gmünder SPD-Ortsvereins und bei den Jusos Teil des Organisationsteams der Jugendbewegung. Abseits seines parteipolitischen Engagements hat er des Weiteren gemeinsam mit einigen Freunden die Klimaproteste auf der Ostalb im Februar 2018 ins Leben gerufen und seither organisiert.
Und so streichelte der junge Mann in seiner Bewerbungsrede die Genossen schon ganz gekonnt beim Ego und erklärte, „es ist eine große Ehre, mit Euch in schwierigen Zeiten diese Nominierung für die älteste demokratische Partei Deutschlands durchzuführen“. Er bat die Mitglieder um ihre Stimme und ihr Vertrauen: „Gemeinsam möchte ich mit Euch im September für unsere SPD ein gutes Ergebnis in diesem Wahlkreis erringen und um jede Stimme kämpfen.“
Die politischen Schwerpunkte des Kandidaten liegen eigenen Worten zufolge „im Umweltschutz, in der Friedenspolitik, bei der sozialen Gerechtigkeit und beim Kampf gegen den zunehmenden Rechtsextremismus in der Gesellschaft“.
Für Schwab ist der Umweltschutz in der Herzkammer der deutschen Sozialdemokratie geboren worden. Er erinnerte an Willy Brandt, der schon 1961 gefordert habe, „der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden!“. Brandt habe es verstanden, dass es vor allem die finanziell schlechter gestellten Menschen seien, die unter der Umweltverschmutzung am meisten leiden würden. Und er habe konsequenterweise „den richtigen Schluss gezogen, dass Umweltschutz auch immer sozial gerechte Politik bedeutet“. Nun forderte sein politischer Ur-Ur-Enkel: „Daran müssen wir anknüpfen, wir müssen den Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel in die Hand nehmen und die globale Erwärmung stoppen. Noch haben wir die Möglichkeit dazu, lasst es uns anpacken!“
Schwab forderte ferner „ein anderes Verständnis von Staatlichkeit“. Die Coronapandemie zeige deutlich, wie wichtig ein aktiver Staat sei und wie kraftvoll ein Staat handeln könne. „Mit Milliardensummen retten wir unsere Wirtschaft, stärken unser Gesundheitssystem, sichern Arbeitsplätze über das Kurzarbeitergeld. Das geht nur mit einer Abkehr von der schwarzen Null, das geht nur mit einem Staat, der die Probleme der Menschen anpackt und löst.“
Zwei Punkte waren Schwab besonders wichtig: „Die Sozialdemokratie muss erstens wieder ein stärkeres Verständnis als Friedenspartei entwickeln, sich zum Beispiel gegen die Anschaffung bewaffneter Kampfdrohnen wehren und sich für die Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbotsvertrags einsetzen.“ Und zweitens müsse die SPD klare Kante gegen den zunehmenden Rechtsextremismus in der Gesellschaft zeigen. „Er sucht seine Verbündeten bei Impfgegnern, Leuten von Pegida und anderen Verrückten.“
Unabhängig von der Platzierung auf der Landesliste möchte Schwab „im Wahlkreis angreifen und die Stimmen des progressiven Lagers gewinnen“. Er forderte: „Lasst uns den Wählern ein politisches Angebot machen, das Zukunft versprüht!“ Das Mandat könne er der Versammlung „angesichts der Wahl-Historie leider nicht versprechen, aber ich verspreche alles in meiner Kraft stehende zu tun, um es gemeinsam mit Euch zu erringen“.
Nominierungsversammlungen der SPD sind laut Jürgen Hestler oft eine Art Familienfeier. Nun sind aber die Familienbande zwischen den Kreisen Rems-Murr und Ostalb nicht sehr eng. Umso erfreulicher sei es, dass über 40 Mitglieder gekommen sind, um den Kandidaten zu küren. Nach Schwabs Vorstellung löcherten sie ihn mit durchaus kritischen Fragen. So wollte Irene Schmidt vom Ortsverein Murrhardt wissen, wie er die Zweifel aus dem Weg räumen möchte, wenn er als Jungspund betitelt werde. Schwab dazu: „Ich bin der Auffassung, dass die junge Generation im Bundestag zu wenig repräsentiert ist.“ Auch der Frage nach einer eventuellen Koalition wich er nicht aus. Er könne sich vorstellen, mit allen Parteien außer der AfD Bündnisse zu schließen. Am liebsten rot/grün oder rot/rot/grün. „Und im allerschlimmsten Notfall nochmals eine Große Koalition“. Und so forderte er am Ende ganz wild: „Lasst es uns rocken