WEISSACH IM TAL.Trotz des Schnellfalls und den eisigen Temperaturen war die Aula des Weissacher Bildungszentrums sehr gut gefüllt. Nach der musikalischen Einstimmung durch Tonia Danese und Uwe Lenz von der Band „Birds of Feather“ begrüßte Jürgen Hestler, der Kreisvorsitzende der SPD Rems-Murr, die Gäste und freute sich über diesen Zuspruch und insbesondere auch über den Besuch von Thomas Oppermann.
Mit einer humorvollen Rede, bei der sich Hestler den Lichtmesstag beziehungsweise das Bauernneujahr als roten Faden ausgesucht hatte, eröffnete er die 16. Auflage des Empfangs der Sozialdemokraten aus dem Rems-Murr-Kreis. Hestler kritisierte die gescheiterten Verhandlungen zur Jamaika-Koalition, ließ aber an dieser Stelle offen, wie sich die Sozialdemokraten im Landkreis bei der Abstimmung zum Eintritt in eine Große Koalition positionieren sollen.
Bevor er Thomas Oppermann auf die Bühne bat, gab es von Jürgen Hestler noch einen Neujahrsgruß: „Der SPD und allen anderen Demokraten wünsche ich ein lang anhaltendes Frühlingserwachen. Denn das Gegenteil von ‚Früh-links-Erwachen‘ heißt schlicht: ‚Spät-rechts-Einschlafen‘!“
„Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat es so lange gedauert, eine Bundesregierung zu bilden.“ Mit diesem Satz begann Thomas Oppermann seine Rede. Die Schuldfrage ist für ihn dabei schnell geklärt: „Nach vier Wochen Koalitionsverhandlungen zu einer Jamaika-Koalition hat sich die FDP vom Acker gemacht!“ Aus seiner Sicht kann man sich nicht aus der Verantwortung stehlen, die einem vom Wähler zugewiesen wurde.
Der Bundestagsvizepräsident nutzte dann auch den Lichtmesstag, um selber eine Bauernregel für die Koalitionsverhandlungen mit der Union aufzustellen: „Ist die Lichtmess trüb und gar nicht hell, dann geht das mit der Regierungsbildung meistens ganz schnell.“ Die inneren Spannungen, die Nervosität und die Unruhe, die da ist, müssen überwunden werden. Und dazu bedarf es schnell einer handlungsfähigen Regierung, sagte Oppermann und begründete damit auch die Abkehr von der ursprünglichen Entscheidung der SPD, in die Opposition zu gehen. „Dieses Land braucht eine Regierung und eine Minderheitsregierung ist keine Alternative“, sagte Oppermann. Er ist zuversichtlich und appellierte dabei nicht nur an die Anwesenden, dass die Parteimitglieder beim Mitgliederentscheid dem Eintritt in die Große Koalition zustimmen werden.
Oppermann griff auch direkt den Einzug der AfD in den Bundestag an. „Zum ersten Mal seit den 50er-Jahren ist wieder eine Partei im Bundestag, die ganz offen Nationalismus propagiert und einzelne Abgeordnete völkisches Denken vertreten. Aber Nationalismus kann keine Grundlage für ein gedeihliches und friedliches Zusammenleben von Völkern im 21. Jahrhundert sein!“, rief er unter dem donnernden Applaus der zahlreichen Gäste in der Aula des Weissacher Bildungszentrums. Mit einem Zitat des früheren Bundespräsidenten, Johannes Rau, machte er auf den Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus auch aus seiner Sicht aufmerksam. „Patrioten lieben ihr Vaterland, aber Nationalisten hassen und verachten die Vaterländer der anderen.“
Dann wurde es etwas unruhig im Saal. Etliche Vertreter aus der Politik, wie beispielsweise Landrat Richard Sigel und der Weissacher Bürgermeister Ian Schölzel, verließen den Saal. Nicht etwa, weil ihnen die Rede von Oppermann missfiel, sondern weil sie sich auf den Weg ins Backnanger Rathaus machten, um dort dem wiedergewählten Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper ihre Aufwartung zu machen. Das Schlusswort hatte dann der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises, Christian Lange. „Heute haben wir einen historischen Tag“, sagte Lange und meinte damit, dass an diesem Tag mehr Tage ohne die Berliner Mauer als mit dieser zu feiern sind. Er bezeichnete das als ein großes Wunder und der Applaus zeigte die Zustimmung des Publikums.
Lange bedankte sich auch ausdrücklich beim Ortsverein der SPD für die Organisation und Durchführung der Veranstaltung. Für Thomas Oppermann, den er als seinen Freund und langen Weggefährten bezeichnete, hatte er dann auch noch ein besonderes Geschenk: Ein Bier aus dem Weissacher Tal, ein „Tälesbräu“, das der Niedersachse dankend entgegennahm.